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Chicorée

Geschichte des Chicoréeanbaus auf dem Biohof Vogt

Der Artikel „Slow Produkt: Traditionell erzeugter Bio-Chicorée“, den Hans-Werner Bunz nach seinem Besuch bei uns für Slow Food® Deutschland verfasste, stellt sehr schön dar, wie wir zum Chicorée-Anbau kamen, und gibt außerdem einen Überblick darüber, wie sich der Anbau gestaltet. Da wir es selbst nicht besser in Worte fassen könnten, möchten wir ihn hier zitieren:
 

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Sie war für mich ein nachhaltiges Erlebnis, meine erste Begegnung mit dem Bioland-Hof von Alfred Vogt im Nordosten der Hohenloher Ebene. Nasskalt und trübe war’s, eigentlich kein Tag für einen Bauernhofbesuch. Doch mit mir waren mehr als 30 ebenso Neugierige gekommen, den seltenen traditionellen Chicorée-Anbau kennen zu lernen. Der Zeitpunkt dafür war genau richtig: Der Chicorée blüht, wenn’s draußen „usselig“, also kalt und nass ist, somit zwischen spätem November und Vorfrühling. Der Chicorée, der längliche, kolbenartige Spross mit fest geschlossenen Blättern, entsteht im zweiten Lebensjahr aus der Wurzel einer Korbblütlersorte: die gezüchtete Varietät foliosum der Art Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus). Alfred Vogts Produkte sind vor allem die weiß-gelben Chicorées, aber auch rote in kleiner Menge. War schon das Kennenlernen der traditionellen, wahrhaft handwerklichen Produktion beeindruckend, zeigten die Geschmackserlebnisse, welchen Genussverlust die Industrieerzeugnisse bieten: mit Nährstofflösung und Wasser ernährt, in Hallen auf vielstöckigen Regalen gestapelt, sind sie geschmacklich fade und ohne den typisch frisch-feinwürzigen, bei den weiß-gelben leicht süßen, im Abgang zart-herben Geschmack - bei den roten ist er etwas herber - der auf traditionelle Weise sich aus lebendiger Erde ernährenden Wurzeln der Chicorium intybus var. foliosum.

Eine Reise nach Lille

Recht einsam liegt der kleine Weiler Heufelwinden. In der Mitte dieses Ortsteils vom einige Kilometer entfernten Blaufelden wuchs Alfred Vogt mit fünf Geschwistern auf; die Eltern hatten einen kleinen Bauernhof, groß genug die Familie zu ernähren. Weil Alfred landwirtschaftlicher Entwicklungshelfer werden wollte, reiste er im Jahr 1982 des Französischlernens wegen nach Lille, Hauptstadt der Region Nord-Pas-de-Calais, nahe der belgischen Grenze. Dort lernte er ein ihm gänzlich unbekanntes Gemüse kennen: Chicorée. Und erfuhr, dass diese zartbitter-knackig-frische Unbekannte in Belgien gewissermaßen erfunden wurde – manche sagen zufällig entdeckt. Der unerwartete Tod der Mutter im Jahr 1984 zwang ihn heimzukehren; der Vater, der 1980 ein neues Wohnhaus am Ortsrand erbaut hatte, konnte alleine den Hof nicht bewirtschaften, und die Brüder hatten sich beruflich anderweitig festgelegt. Milchrinder wollte Alfred unbedingt haben, und so zogen nun die Hochleistungskühe Holstein-Frisian in die Althofstelle ein. Die Überzeugung, dass nicht Ausbeutung des Wertvollsten, was der Bauer hat, der gute Boden also, gute Landwirtschaft sei, sondern dessen Pflege, ließ Vogt im Jahr 1986 Mitglied bei Bioland werden. Und die Kühe weiden seitdem artgerecht und verwandeln Gras und Kräuter in Milch.

Der Anfang war schwer

Gleichzeitig war es unumgänglich geworden, sich eine weitere Erwerbsquelle zu suchen; denn die im Jahr 1984 von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eingeführte Milchquoten-Regelung minimierte die Milchanlieferung und ließ eine notwendige Weiterentwicklung der Milchviehhaltung nicht zu. Da erinnerte sich der junge Landwirt des in Lille schätzen gelernten Gemüses, das 1986 im ländlichen Hohenlohe noch wenig bekannt war. Der Anbauversuch war ein Abenteuer. Weit und breit gab es niemanden, den man fragen konnte, die Samen so winzig, das Aussäen so schwierig. Und als dann die Samen aufgingen, musste das Erkennen der jungen Kulturpflanze unter den mitwachsenden Wildkräutern erlernt werden – auf Knien diese zu entfernen eine langwierige Handarbeit. Von 100 eingesäten Reihen blieben am Ende 12 übrig und die Wegwartenpflänzchen der Varietät Foliosum entwickelten sich prächtig, Boden und Klima waren offensichtlich günstig. Ende Oktober dann die erste Ernte: die unterirdischen Wurzeln lang und dick, die oberirdischen Blätter üppig und bis zu 35 cm lang. Das Grün von Hand knapp am Wurzelkopf über dem Vegetationspunkt abgeschnitten, lagert die Wurzel – damals noch in den Kellern der Althofstelle, 1992 siedelte der Hof zum Wohnhaus hinauf - bei 0 bis 2° Celsius etwa drei Wochen im Dunkeln. Das Grün hingegen verfüttert Vogt bis heute an seine Kühe, seit dem Jahr 2011 kleinwüchsige und seltene norwegische Fjäll-Rinder, für die das Kraut eine Delikatesse ist, Fettgehalt und Aroma ihrer Milch verbessert und den Bauer belohnt mit üppigerer Milchmenge.

Das Betriebskonzept: ökologischer Kreislauf

Die Kühlung gibt der geernteten Wurzel den Winterimpuls. Anfang November wird es Zeit, sie mit dem Kopf nach oben in Kisten von Hand in gute Ackererde, vermischt mit etwas Muschelkalksand, einzulegen und die gefüllte Kiste gut einzuschwemmen. Die Wurzelhaut darf weder vorher noch nachher trocken werden, will man Chicorée ernten. Die Wurzeln in den Kisten ruhen nun in klimatisierter (ca. 8° bis 10°C), absoluter Dunkelheit; zum Kontrollieren dient grünliches Licht. Bald zeigen sich die ersten Sprossspitzen und nach drei bis vier Wochen sind die nun 10 bis 15 Zentimeter langen, kolbenartigen Sprossen – der Chicorée – erntereif: er wird abgebrochen, eine natürliche Sollbruchstelle hilft dabei. Verpackt sind die Chicorée-Kolben verkaufsfertig. Die Wurzeln freilich nutzt Alfred Vogt jetzt weiter: er verfüttert sie an seine Rinder, die sie begeistert als Gesundheitskur vertilgen. Ihre innere „Uhr“ sagt ihnen, wann sie genug haben – eine Eigenschaft, die viele Menschen offenbar gebrauchen könnten.

Die Ackererde mit Muschelkalksand in den Kisten verwendet der kluge Chicorée-Bauer nur zweimal, danach kommt sie für ein Jahr in eine so genannte Miete, wo sie sich auf natürliche Weise selbst regeneriert und sich erneut verwenden lässt. Diese handwerklich-bäuerliche Produktion erzeugt keine Verschwendung, ist zudem – im Gegensatz zur industriellen Chicorée-Produktion – klima- und naturschonend. Hinzu kommen die mit Grün und Wurzeln sich selbst gesund, den Arzt und Antibiotika fern haltenden Rinder, die auch noch eine besonders leckere Milch erzeugen, die – in der Obhut eines erfahrenen Käsers - einen außergewöhnlichen Käse ermöglichen.

Auf dem Vogt’schen Bauernhof arbeiten neben dem Ehepaar Vogt auch das familiäre Umfeld, bei Bedarf auch Saisonarbeiter zu regulären Bedingungen. Die Produkte kann man im Hofladen in Heufelwinden kaufen, aber auch bei vielen Marktgärtnern in der Region bis nach Schwäbisch Hall.
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Bewertung unseres Chicorée durch Slow Food® Deutschland

Dankenswerterweise hat unser Chicorée durch die Bank Bestnoten erhalten, wie sich der Bewertungsliste entnehmen lässt: „20 von möglichen 20 Punkten.“

Unser Auftritt im Rahmen der Sendung „Regionales Superfood mit Bitterstoffen: Chicorée, Kimchi und Schokolade“ aus der Reihe SWR Treffpunkt (Februar 2024)

Im Februar 2024 besuchte uns Ramon Babazadeh mit seinem Team von SWR Treffpunkt. Wir durften Teil einer informativen Sendung zum Thema Bitterstoffe in Lebensmitteln sein.

Landesschau-Bericht im SWR-Fernsehen Baden-Württemberg (Januar 2017)

Im Dezember 2016 besuchte uns Ursula Winkler mit einem Kamerateam im Auftrag des SWR-Fernsehen Baden-Württemberg. Dabei entstand dieser kurze Landesschau-Beitrag, der am 3. Januar 2017 erstmals ausgestrahlt wurde.